Eingetaucht in den Namen des dreieinigen Gottes

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Taufe – Name – Raum[1]

 

Magdalene L. Frettlöh, Magdeburg

 

"... unnd teufft sie ynn den namen des vatters
und des sons unnd des heyligen geysts"

Mt 28,19b in der Verdeutschung Martin Luthers

(Septembertestament von 1522)[2]

 

"... daß wir [...] nicht auf irgendeine Weise,
sondern in den Namen Gottes,
des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes
wahrhaft und treu taufen ..."

Taufansprache Straßburg 1524[3]

 

 1.      Von "Tausend Jahre Taufen in Mitteldeutschland" zu "Auf dem Leib ge­tragen" – von der Magdeburger Taufausstellung zur Detmolder Taufhem­denausstellung

"Tausend Jahre Taufen in Mitteldeutschland". Ich war im letzten Sommer gerade rechtzeitig in der Kirchenprovinz Sachsen angekommen, um die Eröffnung dieser eindrücklichen Ausstellung mitzuerleben, die vom 20. August bis 5. No­vember 2006 im Magdeburger Dom zu sehen war und auf ein unerwartet hohes BesucherInnen-Interesse stieß.[4] Taufgeräte aus zehn Jahrhunderten: Taufbecken, Taufsteine und Taufständer zum Anfassen und in einigen Fällen sogar zum Hineinlegen, wertvolle Taufkannen und -schalen in den Vitrinen, darunter auch die Taufschale Heinrich Heines; historische Taufurkunden und Taufgeschenke – wieviel Kontinuität gibt es doch in allem Wandel! Eine mit lebensgroßen Figuren nachgestellte Taufgesellschaft, Tauffamilienbilder und -fotos irritierten mich durch die damals übliche Abwesenheit der Mutter. In Vergessenheit gera­tene strenge Taufgesetze und -vorschriften waren nachzulesen, ziemlich be­fremdliche darunter ... Historische Taufkleider – so winzig klein wie Puppen­kleidung ...

Und über allem schwebten um den Hohen Chor des Domes barocke Taufengel. Sie gehören zu den originellsten Ausstattungsstücken evangelischer Dorfkirchen Mitteldeutschlands. Durch PatInnenschaften konnten 32 von ihnen gerettet, also geborgen, vor dem endgültigen Verfall bewahrt und sorgfältig restauriert wer­den, um nach der Magdeburger Ausstellung wieder in ihre Heimatkirchen zu­rückzukehren. Diese barocken Taufengel hingen im engen Altarraum vieler mit­teldeutscher Kirchen unter der Decke und wurden anlässlich der Taufen herab­gezogen, um die Taufschale zu halten. Sogar Schulklassen haben PatInnen­schaften übernommen und kamen, um ihren restaurierten Engel in Magdeburg zu sehen. Über 150 Taufengel sind noch in Not und warten auf Hilfe durch Pa­tinnen und Paten.[5]

Doch ich erzähle Ihnen das heute Abend nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, um Ihr Herz für diese Engel in Not, die irgendwo flügel-, bein-, arm- oder kopf­amputiert herumliegen, zu erwärmen – obwohl mich das auch sehr freuen würde, sondern ich erinnere an "Tausend Jahre Taufen in Mitteldeutschland", weil diese Ausstellung und ihr informatives Begleitprogramm in der Post-DDR-Gesellschaft mit ihrem weitgehenden Abbruch christlicher Traditionen die Taufe ganz neu ins Gespräch gebracht hat. Und mehr noch: sie hat nicht wenige Men­schen dazu bewegt, ihre Kinder oder auch sich selbst taufen zu lassen. Eine re­gionale, großartige Taufausstellung mit viel Lokalkolorit hat bewirkt, dass das alte Sakrament der Taufe neu entdeckt und wertgeschätzt wird.

Die Ausstellung, die wir morgen Vormittag nach dem Gottesdienst hier in Det­mold eröffnen werden (und die jetzt schon unsere Blicke auf sich zieht) – sie ist vergleichsweise klein gegenüber der Magdeburger, konzentriert auf ein Motiv, ein unvertrautes noch dazu: das Taufhemd. Ihre Exponate sind nicht hundert oder tausend, sondern erst wenige Jahre alt. Doch das Taufverständnis, das sich in ihnen materialisiert, die Tauftexte, die in ihnen zu Textilien werden, haben bibli­sches Alter. So unbekannt uns das Phänomen des Taufhemdes sein mag, so ver­traut müsste uns doch das Taufverständnis und -bekenntnis sein, das sich darin kleidet. Aber wie das mit dem allzu Selbstverständlichen bisweilen geschieht: Es kann leicht ins Unverstandene abgleiten. Darum tut es gut, wenn das Bekannte und Vertraute uns in einer fremden Gestalt begegnet. Befremdend kann es sich uns in seiner Bedeutungsvielfalt neu erschließen. Eben dazu wollen die Taufhemden, an denen Sie sich nun sechs Wochen erfreuen können, beitra­gen: dass wir wieder neu verstehen lernen, was es heißt, getauft zu sein … Wir sollen wissen, was uns mit der Taufe geschenkt und geboten ist, welche Gaben und Aufgaben in ihr liegen.


2.     Die trinitarische Taufformel – zentraler Sprechakt im Taufgeschehen und komprimierte Tauftheologie 

Mir ist die schöne Aufgabe zugefallen, Sie am Vorabend der Ausstellungseröff­nung einzustimmen auf das Thema, das Sie in den kommenden Wochen mit dieser Ausstellung und den sie flankierenden Veranstaltungen begleiten möchte – die Taufe, das ökumenische Sakrament. Wie sich an dem kunstvoll und theolo­gisch bedacht gestalteten Stück Leinen eines Taufhemdes eine ganze Tauftheo­logie erkennen lässt, so werde ich heute Abend von einem einzigen Element der Taufliturgie her die Taufe insgesamt in den Blick zu nehmen versuchen. Es wird um die trinitarische Taufformel gehen, also um die Bedeutung, die der Name des dreieinigen Gottes für das Taufgeschehen hat. Sie kennen das: Da wird getauft entweder "auf den Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes"; so steht es auch in der neuen reformierten Agende. Und so bekennt es das Tauflied (eg 200,1): "Ich bin getauft auf deinen Namen, Gott Vater, Sohn und Heilger Geist …". Oder es wird getauft: "Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes." So finden wir es durchgängig in lutheri­schen und unierten Taufagenden.

Die Taufformel – sie steht im Zentrum des Taufgeschehens. Wo die Taufformel gesprochen wird, da geschieht Taufe. Diese Worte bewirken, was sie sagen. Deshalb ist es wichtig, sorgfältig auf ihren Wortlaut zu achten, der theologisch alles andere als gleich-gültig ist. Es kommt auf jeden Buchstaben an. Schon eine kleine Veränderung setzt andere Schwerpunkte im Verständnis der Taufe. So wie im Taufhemd eine alte Tradition in neuem, unvertrautem Gewand daherkommt, so möchte ich heute Abend an eine alte reformierte Taufformel erinnern, die aus unseren Taufagenden verschwunden ist. Ich möchte entfalten und begründen, warum ich seit einigen Jahren – mit dieser alten Taufformel – "in den Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" taufe, also den trinitarischen Gottesnamen als eine Sphäre, einen Raum verstehe, in den die Getauften hineingebracht werden und in dem sie von nun an zuhause und ge­borgen sein können. Der Gottesname als Raum – auch das ist wohl für die meis­ten unter uns ein eher unvertrauter Gedanke. Lassen wir uns für heute Abend einmal auf diesen Gedanken und seine Bedeutung für die Taufe ein.

Der Gebrauch der trinitarischen Taufformel gründet biblisch vor allem im sog. Taufbefehl in Mt 28,18-20, der wohl bei jeder Taufe verlesen wird. Vom grie­chischen Wortlaut (baptizein eis to onoma) her ist eine Verdeutschung mit "auf den Namen" ebenso möglich wie mit "in den Namen". Und da es um das Gebot, um den Auftrag des Auferstandenen geht, ist der Sache nach auch ein Taufen "im Namen Gottes" von Mt 28,18-20 her begründet. Für alle drei Taufformeln können sich Taufende also auf Mt 28,18-20 berufen.

Es kommt nun alles darauf, diese Mehrdeutigkeit der Bibel, der nur eine Mehr­zahl von Übersetzungen entsprechen kann, als Reichtum und nicht als Gefähr­dung unseres Glaubens und unserer gottesdienstlichen Praxis wahrzunehmen und diesen Reichtum nicht unsererseits ängstlich zu beschneiden. Mehrdeutig­keit ist nicht Beliebigkeit. Sie ist Ausdruck der Lebensfülle unseres Gottes, die sich ins Menschenwort der Hl. Schrift eingeschrieben hat.

Nehmen wir also die unterschiedlichen Wortlaute der Taufformel in den Blick und beginnen wir beim Vertrauten:


3.      Taufen im Namen des dreieinigen Gottes –
      oder: die göttliche Autorisierung der Taufenden 

Was im Namen einer Anderen getan wird, geschieht unter Beauftragung und Bevollmächtigung durch die genannte Person sowie stellvertretend für sie. So ergehen Gerichtsurteile "im Namen des Volkes"; ein Bevollmächtiger unter­schreibt im Namen der von ihm vertretenen Person. Wo im Namen eines Ande­ren gesprochen oder gehandelt wird, ist dieser in gewisser Weise selbst gegen­wärtig und steht für das Reden und Tun in seinem Namen ein, verbürgt dessen Wahrhaftigkeit und Gültigkeit und verantwortet es. Wir feiern Gottesdienst im Namen Gottes, weil Gott uns in dieser Feier dienen will. So verweist das Taufen im Namen Gottes auf die göttliche Autorisierung der Taufenden.

In den aktuellen lutherischen[6] und unierten[7] Agenden wird ausschließlich "im Namen" des dreieinigen Gottes getauft. Gleichzeitig ist in allen Formularen der verlesene Taufbefehl Mt 28,19b durchgängig verdeutscht mit "...taufet sie auf den Namen ...". Das ist ein merkwürdiger theologisch-liturgischer Spagat, der aber offensichtlich nicht als Problem empfunden.
Die neue Reformierte Liturgie von 1999[8] hat konsequent, wie bereits das Kirchenbuch von 31983/41990[9], auf die ansonsten ausschließlich gebrauchte For­mel "Ich taufe dich im Namen ..." verzichtet. Für diesen Verzicht gibt es gute theologische Gründe. Ich nenne nur zwei:
Geschieht die Taufe im Gottesdienst, dann steht sie ja ohnehin unter dem Vor­zeichen, im Namen Gottes zu geschehen. Es wäre eine liturgische Doppelung, die verstärkenden Charakter hat, aber nichts Neues sagt. Schwerer wiegt ein anderes Argument: Das Taufen im Namen des dreieinigen Gottes sagt in erster Linie etwas über die stellvertretende Rolle des Täufers/der Täuferin und weist auf das taufende göttliche Subjekt hin:

In seinem lehrhaften Tauflied "Christ, unser Herr, zum Jordan kam" (eg 202) erinnert Martin Luther an die trinitarische Gestalt der Taufe Jesu selbst (die Stimme des Vaters vom Himmel, der Gottessohn "in seiner zarten Menschheit" auf Erden und zwischen beiden vermittelnd der "in Taubenbild verkleidet" hernieder fahrende Hl. Geist). Und er zieht daraus auch für unsere Taufen die Gewissheit, dass die göttliche Dreifaltigkeit selbst bei der Taufe gegenwärtig und am Werk ist. So heißt es in Strophe 4: "... daß wir nicht sollen zweifeln dran: / wenn wir ge­taufet werden, / all drei Person' getaufet han, / dadurch bei uns auf Erden / zu wohnen sich be­geben."

Wo im Namen des dreieinigen Gottes getauft wird, ist Gott also selbst da und tauft, mehr noch: Taufend wohnt der himmlische Gott auf der Erde. Das Taufen im Namen Gottes ist transparent für Gott als Täufer, der in, mit und unter dem Handeln des taufenden Menschen wirkt. Was aber diese Taufformel und mit ihr der Name des dreieinigen Gottes für den Täufling bedeutet, wird beim Taufen im Namen Gottes nicht wirklich deutlich. Das ist beim Taufen auf den Namen Gottes anders. Da kommen die zu Taufenden und Getauften selbst in den Blick:


4.      
Taufen auf den Namen des dreieinigen Gottes –
      oder: der namentlich besiegelte Identitätswechsel der Getauften
 
Fragt man Pfarrerinnen und Pfarrer, was es eigentlich heißt, dass sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes taufen, geraten sie nicht selten in Verlegenheit ...

Nun, wir kennen alltagssprachlich ein "Taufen auf den Namen": Wenn wir etwas oder jemanden auf einen Namen taufen, etwa bei einer Schiffstaufe oder wenn Kinder ihr neues Haustier taufen, dann geht es um die Belegung, die Behaftung mit dem Namen, der damit zum Eigennamen der getauften Sache oder Person wird. Nach Auskunft des DUDEN heißt Taufen "[feierlich] einen Namen ge­ben"[10].

Auf die Frage "Wozu Taufe?" bekommt man bisweilen die Antwort: "Das Kind muß doch einen Namen haben!"11] Taufe als Namensgebung – aber welcher Name wird da gegeben? Der meist von den Eltern gegebene Eigenname des Kindes wird zu Beginn der Taufformel in direkter Anrede genannt, aber getauft wird der Täufling nicht auf den eigenen, sondern auf den Namen des dreieinigen Gottes. Was ist damit gemeint? "Wer getauft wird, empfängt einen neuen Namen. [...] Christen sind Träger des Christus-Namens"[12], so lautet die Auskunft eines praktischen Theologen. Wer getauft ist, heißt nicht nur nach seinem/ihrem Rufnamen, sondern nach Christus, heißt Christ oder Christin.

Oder mit den Worten Karl Barths, der das neutestamentliche Wort für "taufen" (baptizein) beim Wort nimmt und es als "tauchen"/"eintauchen"/"untertauchen" übersetzt: "Der Mensch wird untergetaucht in den Namen Gottes. Er verliert seinen eigenen Namen." "Weil ich getauft bin, darum muß ich mich verstehen als eingetaucht in den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, meines alten Namens verlustig, eines neuen christlichen Namens teilhaftig."[13]

Christ/Christin – das ist nach dieser Deutung der neue Eigenname der Täuflinge. Ein neuer Name bezeugt eine neue Identität, denn nach biblischem Verständnis sind Namen nicht ohne innere Beziehung zu denen, die sie tragen. Sie sind kein bloß äußerliches Etikett oder beliebig austauschbar. Eigennamen erzählen Le­bensgeschichten, sie machen identifizierbar und benennbar, ansprechbar und beanspruchbar. Auf den Namen des dreieinigen Gottes getauft, sollen die Täuf­linge, nun als Christinnen und Christen benannt, wissen, wem sie ihr Leben und welcher Geschichte sie ihre Identität verdanken, zu wem sie gehören, was sie trägt, worauf sie stehen, was ihnen geschenkt ist und was sie zu tun haben, und sollen sich so auch bei diesem Namen behaften und in Anspruch nehmen lassen.[14]

Wird das Taufen auf den Namen des dreieinigen Gottes als Benennung mit dem Christusnamen und damit als ein Namenswechsel verstanden, der einen Identi­tätswechsel anzeigt, melden sich wiederum mehrere Probleme: Eines davon betrifft die Zuordnung von Geburtsname und in der Taufe verliehenem Chris­t(us)namen. Der standesamtlich eingetragene Eigenname, der im Englischen ja gerade Christian name heißt, wird doch nicht einfach durch die Benennung mit dem Christusnamen in der Taufe abgelöst. Auch in unseren Gemeinden werden die Getauften doch bei ihrem zivilen Vor- und Nachnamen genannt. Der Eigen­name steht doch nicht für die alte Identität, die in der Taufe begraben wird. Wel­cher Name wird aber dann durch den Christusnamen eigentlich abgelöst?[15] Was meint der Namenswechsel bei der Taufe? Ist hier daran gedacht, dass der alte Adam und die alte Eva als menschheitliche Eigennamen abgelöst werden vom Christus-Namen? Ich bin da, wie Sie merken, einigermaßen ratlos. Vielleicht ha­ben Sie ja eine bessere Antwort auf diese Frage ...

Die beiden vertrauten Taufformeln haben je ihren biblischen Grund und ihren guten theologischen Sinn. Aber sie haben, wie sich gezeigt hat, auch ihre Gren­zen und ihre Probleme. Schauen wir uns darum nun die dritte Taufformel, das Taufen in den Namen Gottes, näher an.


5.      Taufen in den Namen des dreieinigen Gottes –
      oder: Besiegelung und Versiegelung einer dreifachen Inkorporation

In Taufgesprächen zeigt sich immer wieder, dass viele Eltern, Großeltern oder auch PatInnen mit der Säuglings- und Kindertaufe die Vorstellung verbinden, dass das Kind durch die Taufe einen besonderen Schutz erhält, behütet und be­wahrt wird. Diese Vorstellung kommt etwa im wohl beliebtesten Taufspruch zum Ausdruck: "Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen" (Ps 91,11). Und vielleicht erinnern sich die Älteren unter Ihnen noch daran, dass man früher mit einem Neugeborenen nicht nach draußen ging, bevor es nicht getauft worden war. Das zerbrechliche Leben sollte nicht gefährdet werden, solange es nicht das Siegel der Taufe empfangen hatte.
Man kann solche Vorstellungen als magisches Missverständnis der Taufe abtun; man kann diese Bedürfnisse und Wünsche nach Schutz und Geborgenheit aber auch theologisch, seelsorgerlich und liturgisch ernst nehmen. In ihnen spricht sich ja das Wissen aus, dass wir mitten im Leben vom Tod umgeben sind und dass wir selbst unser Leben und das Leben der uns anvertrauten Menschen nicht sichern und dass wir nicht garantieren können, dass es gelingt.
Meine Überzeugung ist nun, dass das Taufen in den Namen des dreieinigen Gottes eben diesem Bedürfnis entgegenkommt, die zu Taufenden der Fürsorge und der Begleitung Gottes anzuvertrauen. Denn wenn wir in den Namen des dreieinigen Gottes taufen, werden nämlich die Täuflinge in einen dreifachen Lebens- und Schutzraum hineingetaucht. Es geht, so könnten wir es auf den Begriff bringen, um ein dreifaches Inkorporationsgeschehen:

Die erste Inkorporation: die Taufe erinnert daran, dass wir in den Leib des Ge­kreuzigten und Auferweckten implantiert, eingepflanzt sind, dass wir mit Chris­tus gekreuzigt und begraben sind und dass seine Auferweckung uns die be­gründete Hoffnung schenkt: der Tod hat nicht das letzte Wort über unser Leben! Diese Einverleibung in Christus wird tauftheologisch in vielen Bildern an­schaulich gemacht.[16] Wir werden uns zwei dieser Bilder gleich näher ansehen: nämlich das Verständnis der Taufe als fröhliches Begräbnis und als Bekleidung, als Anziehen eines neues Kleides.

Die zweite Inkorporation: die Aufnahme der Täuflinge in die Gemeinde als den irdischen Leibraum des erhöhten Christus. Die Gemeinde ist der Ort, an dem die neue Identität der Getauften als Töchter und Söhne Gottes bewahrt und bewährt werden kann.

Die dritte Inkorporation: die Bergung der Täuflinge in den Sprachraum des tri­nitarischen Gottesnamens. Der Name Gottes selbst ist dabei eine schützende Zu­fluchts- und Asylstätte.[17]

5.1.         Taufen in den Namen Gottes – Besiegelung der Einverleibung in den ge­kreuzigten, begrabenen und auferweckten Christus

Es gibt viele Bilder, um die Taufe zu deuten, doch es geht in allen um dieselbe Sache, nämlich um die Gabe einer neuen Identität, die nicht ohne den Verlust der alten Identität zu gewinnen ist. Es geht bei der Taufe um die Erinnerung an den Tod, das Begräbnis und die Wiedergeburt der Getauften als ein Geschehen, dessen Akteur der dreieinige Gott ist. Dieses Ereignis haftet an einem unver­rückbaren Ort, der im Taufgeschehen räumlich vorgestellt wird: nämlich im Kreuzestod, im Begräbnis und in der Auferweckung Jesu Christi. Es vollzieht sich als Einverleibung der zu Taufenden in den Leib des Gekreuzigten und Auf­erweckten. Die Taufe repräsentiert dieses Einverleibtsein in Christus.

Was das konkret heißt, schauen wir uns nun an zwei klassischen Beispielen aus der vielfältigen Bildwelt der Taufe an: am fröhlichen Begräbnis und am Klei­dungswechsel.


5.1.1    Das freudige Begräbnis: in Christus für die Sünde tot, aber lebendig für Gott

Das Taufelement Wasser erfreut sich seit geraumer Zeit gesteigerter Aufmerk­samkeit und großer Beliebtheit als Thema von Taufansprachen. Nicht nur, dass bisweilen besondere Anstrengungen unternommen werden, um – wenn schon nicht Jordanwasser – so doch Wasser aus einer besonderen Quelle zu besorgen. Und bei der Deutung des Taufwassers stehen schöpfungstheologische-ökologi­sche Aspekte im Vordergrund: das Taufwasser verweist so verstanden auf klare Quellen, lebenserhaltendes Trinkwasser oder gar – in jüngeren feministischen Tauftheologien – auf das Fruchtwasser.[18] Doch das Taufwasser ist zu allererst kein Symbol des Lebens, sondern des Sterbens.[19] Nur als Todessymbol wird es zum Lebenssymbol. Wer aber will bei einer Taufe schon gern vom Tod reden?! Doch ebenso wie wir bei einer Trauung den Tod nicht tabuisieren dürfen, denn Liebe ist stark wie der Tod und darum stärker, bleiben wir hinter der heilvollen Bedeutung der Taufe zurück, wo wir das Wasser nicht in seiner tödlichen Gewalt in den Blick nehmen. Das Leben, an dem wir durch die Taufe teilhaben, ist Le­ben aus dem Tod, Leben, das den Tod hinter sich hat.

Gerade, weil wir wissen, dass sich mit der Taufe nicht selten der Wunsch nach Schutz und Geborgenheit der Täuflinge verbindet, kommt alles darauf an, das Lebensbedrohliche und -vernichtende, theologisch gesprochen: die Sünde bei der Taufe nicht zu verschweigen, sondern sie ernstzunehmen, todernst, und zu­gleich uns daran erinnern zu lassen, dass sie entmachtet ist, dass das Böse uns letztlich nichts mehr anhaben kann.

Wo wir die Taufe als Tod, Begräbnis und Wiedergeburt verstehen, geht es da­rum, dass wir für die Sünde gestorben sind. Wir sagen das ja auch umgangs­sprachlich: Der ist für mich gestorben. Mit dem habe ich nichts mehr zu schaf­fen. Eben daran erinnert die Taufe, dass wir für die Sünde tot, darum aber für Gott umso lebendiger sind. Die Lebensorientierung der Taufe wird verdunkelt, wo der Tod verschwiegen wird.

"Wie können wir, die wir der Sünde gestorben sind, noch in ihr leben?
Wisst ihr denn nicht, dass wir alle, die wir in Christus Jesus getauft sind,

in seinen Tod getauft sind?
Nun sind wir mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod,
damit – wie Christus auferweckt wurde von den Toten durch den Glanz (doxa) des Vaters –
so auch wir in der Neuheit des Lebens wandeln" – fragt und bekennt Paulus in Röm 6,2-4.

Das Eintauchen in das Taufwasser reinszeniert ein Begräbnis; das Taufbecken fungiert dabei als Grab. Wenn Paulus von der "Taufe in den Tod" Jesu Christi spricht, dann ist der Tod hier räumlich als Todessphäre gedacht, in die Menschen eintreten können. "Getauft zu werden wird in Röm 6 als Bewegung in einen Raum hinein beschrieben"[20]. Wie lässt sich diese räumliche Auffassung des Todes begreifen? In den Augen, im Urteil Gottes sind die Getauften implan­tiert in den Leib des Gekreuzigten. Jesus hat sie mit in den Tod genommen; insofern sind sie in ihm selbst mitgestorben, existieren für die Sünde, die sich an ihnen vergreifen will, nicht mehr. Sie sind tot für die Sünde und – lebendig für Gott. Denn die Getauften bleiben nicht im Grab des Taufbeckens, nicht unter­getaucht ins Wasser, sondern werden aus ihm herausgezogen[21], aus der Taufe gehoben. Darum symbolisiert die Taufe ein fröhliches Begräbnis, weil wir für die Sünde mausetot sind, aber – wie Christus – nicht im Grab bleiben, sondern aus dem Taufbecken herausgehoben werden.

Dieses Verständnis der Taufe als fröhliches Begräbnis, das daran erinnert, dass wir – in der Sicht Gottes – mit Christus gestorben, begraben und auferweckt sind, hat Konsequenzen für den praktischen Vollzug der Taufe: Nicht nur, dass dieser Einverleibung die Formel vom Taufen in den Namen Gottes am meisten entspricht, es sucht auch nach einer Entsprechung in der Taufgeste, im Wasser­ritual. Denn die paar Tropfen Wasser, die wir Taufenden über den Kopf der Täuflinge kullern lassen, um sie dann möglichst schnell abzuwischen, lassen nichts mehr erahnen von der ursprünglich tödlichen Bedeutung des Taufwassers, in dem das Böse und die Sünde sterben. Ein Freund erzählte mir, dass er mit seinen Konfirmandinnen und Konfirmanden, wenn das Thema Taufe dran sei, den Unterricht im Schwimmband beginne. Nicht das zaghafte Benetzen mit Wassertropfen, sondern das Ein- und Untertauchen symbolisiert das Verständnis der Taufe als Sterben, Begraben und in ein neues Leben geboren werden. Nur wo die Taufe auch Tod und Begräbnis erinnert, kann sie als Geburt verstanden werden.

Schauen wir uns nun noch ein zweites Bild für die Taufe als Identitätswechsel an: das Anziehen eines Kleides.

5.1.2    Auch Taufkleider machen Leute: eingekleidet in den Leib Christi

Erinnert die Begräbnismetapher der Taufe eher an einen dramatischen Prozess, so die Bekleidungsmetapher an dessen Ergebnis: an die Einsetzung der Getauf­ten in die Gotteskindschaft. Getaufte sind Töchter und Söhne Gottes. Und da Kleider bekanntlich Leute machen, lässt sich diese neue Identität textil auswei­sen:

 "Alle nämlich seid ihr Kinder Gottes durch den Glauben im Christus Jesus,
denn welche in Christus hinein getauft sind, haben Christus angezogen" (Gal 3,26f.).[22]

Christus, in den hinein die ChristInnen getauft sind, wird hier als ein Gewand verstanden, das das nackte menschliche Leben bekleidet. Christus wird auf der Haut getragen, kommt den Getauften gleichsam als Unterhemd hautnah, rückt ihnen auf den Leib. Was für ein kühnes Bild! Dabei steht nicht die vor Kälte oder den Blicken der anderen schützende Funktion der Kleidung im Vorder­grund, sondern auch hier die Repräsentation der neuen Identität. Die Taufe als Bekleidetwerden mit Christus bezeugt die Kleiderordnung des Reiches Gottes, in der alle trennenden Unterschiede zwischen Menschen in die Einheit der Töchter und Söhne Gottes aufgehoben sind. Das Eingekleidetwerden in Christus stellt dabei keine äußerliche Uniformierung dar, sondern einen Subjektwechsel: "Wer mit Christus bekleidet ist, der ist seiner selbst entkleidet, von sich selbst entbunden und seiner selbst ledig. Er betrachtet sich als [...] ganz in die Zukunft hineingenommen, die mit dem Sein in Christus schon begonnen hat."[23] Die Taufe erinnert die Einkleidung in Christus als das Anziehen des neuen Men­schen (Eph 4,24; Kol 3,10). Diese neue Identität soll im Taufkleid nach außen hin für alle sichtbar sein. Das unterscheidet das Taufkleid vom Taufhemd, das als Unterkleid der eigenen Vergewisserung dient.

Geschieht das Anziehen des Christus als Taufen in den Namen des dreieinigen Gottes, dann wird der trinitarische Gottesname selbst zum Gewand, ja zur zweiten Haut der Getauften, dann ist er – wie Goethe allgemein über den Namen sagt – "nicht etwa wie ein Mantel, der bloß um ihn her hängt und an dem man allenfalls noch zupfen und zerren kann, sondern ein vollkommen passendes Kleid, ja wie die Haut selbst ihm über und über angewachsen, an der man nicht schaben und schinden darf, ohne ihn selbst zu verletzen"[24]. Getaufte tragen den Namen des dreieinigen Gottes gleichsam auf der Haut – ein Bild buchstäblich intimer Nähe. Nur um den Preis der Verletzung, wenn nicht Zerstörung der neu­en Identität, kann den Getauften ihr Eingekleidetsein in Christus entrissen wer­den.

Soll auch dieses Taufbild liturgisch angemessen umgesetzt werden, dann ist das Taufkleid als Zeichen des Identitätswechsels erst bei bzw. unmittelbar nach der Taufhandlung anzuziehen. Ein weißes Taufkleid versinnbildlicht das aus der Herrschaft der Sünde befreite, wiedergeborene neue Leben der Getauften und weist voraus auf die weißen Gewänder der Auferweckten.[25] Das Taufkleid ist wie das Taufhemd ein messianisches Kleidungsstück: ein priesterliches, könig­liches, prophetisches Gewand. Wer es trägt, kann anderen zum Messias, zum Christus werden.

 
5.2       Taufen in den Namen Gottes – Eingliederung in den Heiligungsraum der Gemeinde Christi 

Der Einverleibung in den Leib des gekreuzigten und auferweckten Christus korrespondiert die Eingliederung der Täuflinge in die Gemeinde, "denn in einem Geist sind wir alle in einen Leib getauft" (1Kor 12,13). Das In-Christus-Sein findet seinen leibhaftig-sozialen Ausdruck in der Zugehörigkeit zur Gemeinde Jesu Christi. Sie ist der Ort, an dem die neue Identität bewahrt und bewährt werden kann, also der Ort der Heiligung des Lebens. Die Einmaligkeit der Taufe schließt ihren lebenslangen Prozesscharakter ja nicht aus.[26]

Die in der Taufe kirchenrechtlich verbindlich sich ereignende Aufnahme der Getauften in die Gemeinde Jesu Christi versteht die reformierte Tradition als Integration nichtjüdischer Menschen in die Bundesgeschichte Gottes mit seinem Volk Israel – eine über den Messias Jesus von Nazareth vermittelte Zuge­hörigkeit. Die Vorstellung einer autarken, selbstgenügsamen Existenz getaufter Menschen ist damit ausgeschlossen. Heiligung ist kein einsames Unternehmen, sondern als menschliche Mitarbeit mit Gott gebunden an den verheißungs- und anspruchsvollen Lebensraum der Gemeinschaft der Heiligen. Nicht einsam, sondern gemeinsam können und sollen sich die Getauften gegenseitig verge­wissern, dass sie unwiderruflich zu Gott gehören und in Christus in die Se­gensgeschichte Gottes mit seinem Volk Israel aufgenommen sind.[27]

Im Binnenraum der Gemeinde werden die Getauften vertraut mit den stories der Liebesgeschichte Gottes mit der Welt, hier können und sollen sie sich einüben in das Vertrauen zu Gott: in die Kultur des Gebets und das Tun des Gerechten; mit dem Heidelberger Katechismus gesprochen: in ein Leben der Dankbarkeit gegen Gott[28].

 
Wie kann diese zweite Inkorporation in der Taufe zum Ausdruck kommen? Ein Beispiel aus der neuen reformierten Liturgie: "[N.N.] ist nun in Jesus Christus getauft. Wir nehmen ihn/sie an und begrüßen ihn/sie als Glied unserer Gemeinde in der einen heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche." Und an die Eltern gewandt: "Nun gehört euer Kind in Christus zu Gott. Von diesem Tag an wird es in der christlichen Gemeinde zu Hause sein, und hier wird auch immer Platz für es sein. Erzählt ihm von seiner Taufe und zeigt ihm den Reichtum, der ihm heute geschenkt worden ist, damit es eines Tages seine eigene Antwort in Glaube und Liebe geben kann und mit der Gemeinde teilnimmt am Mahl unseres Herrn Jesus Christus."[29]

 
Die Taufe ist darum mit guten Gründen ein Familienfest zu nennen, nämlich ein Fest der ökumenischen Familie Gottes, die sich über ein neues Mitglied freut und für dieses Verantwortung übernimmt. Auch diese Entlastung könnte für El­tern, Großeltern und PatInnen ein Grund zum Feiern sein.

Liturgisch müsste dem nicht zuletzt dadurch Rechnung getragen werden, dass auch die Gemeinde in Gestalt einer eigenen Tauffrage oder Taufvermahnung in die Pflicht genommen wird. Und ebenfalls wäre zu fragen, ob die Taufformel nicht beginnen müsste mit "N.N., wir taufen dich ..." …

Warum entspricht nun dieser Aufnahme der Getauften in die Gemeinde am ehesten ein Taufen in den Namen des dreieinigen Gottes?

Ich habe die Gemeinde als Heiligungsraum bezeichnet. Als solche ist sie nicht nur der Raum unserer Heiligung, der Raum, in dem wir lernen können, als Töch­ter und Söhne Gottes nach dem Willen Gottes zu leben. Sondern sie ist auch und vor allem der Raum der Heiligung des Gottesnamens, der Ort, an dem der Missbrauch des Namens Gottes entlarvt und diesem Namen Ehre gemacht wird. Der Ort, an dem die Vaterunserbitte "Geheiligt werde dein Name!" gesprochen und wo an ihrer Verwirklichung mitgewirkt wird. Mit der Taufe in den Namen des dreieinigen Gottes werden die Getauften aufgenommen in die Gemeinde als einen Lebensraum, in dem sie diesen Gottesnamen als Rufnamen kennen, ge­brauchen und lieben lernen, als jenen Namen, in dem Gott sich ansprechbar und beanspruchbar macht. Die Gemeinde ist Lernort der Namensheiligung. Sie ist der Raum, in dem der trinitarische Gottesname in Klage und Bitte, Lob und Dank angerufen wird und die Getauften im Gebrauch des Gottesnamens Gott selbst kennenlernen.[30] "Schön sind deine Namen ..." singen wir mit Lied EG 664.

Damit stehen wir an der Schwelle zur dritten Inkorporationsfigur, dem Verständ­nis des trinitarischen Gottesnamens selbst als eines Zufluchtsraumes der Getauf­ten.


5.3       Taufen in den Namen Gottes – Versiegelung im Schutzraum des trinitari­schen Gottesnamen 

Wo das Taufen in den Namen Gottes von der profanen Grundbedeutung des biblischen Wortes für taufen, nämlich baptizein=tauchen her bildhaft als Ein­tauchen des Täuflings in den Gottesnamen gedeutet wird, erscheint der trini­tarische Name selbst als ein Raum. Mit der Rede vom Eintauchen in den Namen Gottes ist Gottes Fürsorge ins Bild gesetzt. Das Eingetauchtwerden in den Na­men Gottes kann als Versiegelung im Schutzraum des Namens verstanden wer­den. Zwischen dem dreieinigen Gott und den Getauften besteht eine von Gott eröffnete namhafte Wechselbeziehung: Die Getauften gehören zu Gott, weil Gott sie bei ihrem Namen gerufen hat (Jes 43,1), und sie beantworten diesen göttli­chen Namensruf, indem sie ihrerseits Gott beim Namen nennen und in Gottes Namen Zuflucht finden.

In Spr 8,10 heißt es: "Ein fester Turm ist der Name Adonajs, in ihn hinein läuft der Gerechte und ist geborgen." Martin Luther hat diesen Vers immer wieder mit Ps 50,15 verknüpft: "Rufe mich am Tag der Bedrängnis, – Ich werde dich er­retten, und du wirst mir Gewicht geben."[31] Wo Gott beim Namen gerufen wird, spannt sich mitten in der Not ein Sprachraum der Zuflucht auf. Der Rufname Gottes wird zum Asyl der Bedrängten in der Sprache und gewährt ihnen siche­ren Schutz.

Wo Menschen in den Namen des dreieinigen Gottes getauft werden, werden sie jener Flieh- und Trutzburg des Gottesnamens anvertraut, die dem gefährdeten menschlichen Leben Schutz gibt. Sie werden eingetaucht in den Namen Gottes als eine Sphäre, die Gottes Fürsorge für uns eingeräumt hat. Eingetaucht in den Namen Gottes, sollen sich die Getauften in ihrer neuen Existenz wie der Fisch im Wasser in ihrem Element fühlen. Die Getauften sollen im Sprachraum des Namens Gottes wohnen und sich in diesem Wohnraum geborgen wissen. Gottes Name gibt den Getauften ein Zuhause.

Das ist für viele unter uns vermutlich ein ganz neuer und wohl auch schwer verständlicher Gedanke, dass der Name des dreieinigen Gottes, dass Vater, Sohn und Heiliger Geist ein Raum ist, in dem wir zuhause sein können und geborgen sind. Deshalb möchte ich Ihnen zum Schluss meines Vortrags in wenigen Sätzen noch zwei Verstehenshilfen anbieten, die Ihnen diesen ungewohnten Gedanken näher bringen können. Denn es ist vor allem anderen dieses Verständnis des tri­nitarischen Gottesnamens als Raum, das mich seit einigen Jahren in den Namen Gottes taufen lässt.

 
6.       Gott – maqom: der rabbinische Raum-Name Gottes und die "Urwohnge­meinschaft" des dreieinigen Gottes 

Es gibt im Judentum einen Namen Gottes, der "Raum", "Ort", hebräisch: maqom heißt.[32] Die Übersetzung der "Bibel in gerechter Sprache"[33], die großes Gewicht auf den Eigennamen und die Rufnamen und Benennungen Gottes legt[34], erinnert an diesen Raum-Namen Gottes. Wir können ihn als Exilsnamen Gottes bezeich­nen. Nicht nur, weil es ein Gottesname ist, der im Exil, in der Diaspora ent­standen ist. Als der Tempel zerstört war und mit dem Zion für viele Juden und Jüdinnen der Ort verdichteter Gottesnähe unerreichbar geworden war, jener Ort, mit dem Israels Gott in besonderer Weise seinen Namen verbunden hat, da lernten sie – weit weg von Jerusalem – Gott selbst als einen Raum kennen, in dem sie als Exilierte, als Heimatlose sich bergen und bei dem sie Zuflucht fin­den konnten. Sie lernten, von Gott als maqom sprechen und machten genau die Erfahrung, von der das Sprüchebuch redet, wenn es den Namen des Gottes Israels als einen festen Turm, als Zufluchtsstätte versteht. Sie lernten, dass Gott in der Sprache im Namen wohnt und dass dieser Name ihnen zum Gotteshaus werden kann.

Der maqom-Name des biblischen Gottes und der trinitarische Gottesname im Christentum sind, so bin ich überzeugt, eng verwandt. Denn auch der trinita­rische Gottesname ist ein Raum-Name Gottes. Der dreieinige Gott ist – so könn­ten wir auch sagen – eine geräumige Gottheit. Der Philosoph Peter Sloterdijk, den einige von Ihnen vom Philosophischen Quartett im Glashaus kennen mögen, hat die Trinität als "Urwohngemeinschaft"[35] bezeichnet. Eine WG, die entsteht allein durch die Beziehung der drei Personen zueinander, die sich gegenseitig Raum geben und einander beherbergen. Ein ganz wunderbares Bild, von dem wir schon Spuren in der Bibel, etwa im Johannesevangelium, finden: "Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, würde ich dann zu euch gesagt haben: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten?" fragt der johan­neische Christus in Joh 14,2.

Wo wir in den Namen des dreieinigen Gottes taufen, da bezeugen wir, dass es im trinitarischen Gott Raum gibt für jeden Menschen, für jedes Geschöpf. Wir be­kennen uns zu Gott als Raum der Welt. Und wir beginnen zu ahnen, dass der Wortlaut einer alten Taufformel, ja, dass die Taufe überhaupt etwas zu tun hat mit der Gestaltung irdischer Lebensräume, dass sie Auswirkungen hat für unsere Wohnungs- und unsere Asylpolitik.

 




[1] Vortrag am Vorabend der Vernissage der Taufhemdenausstellung "Auf dem Leib getragen" im Gemeindehaus am Markt in Detmold am 14. April 2007.

[2] Das Neue Testament 1522, in: WA DB 6, 1929, 132.

[3] Zitiert nach: Kirchenbuch. Ordnungen für die Versammlungen der nach Gottes Wort refor­mierten Gemeinden deutscher Zunge, hg. von E. Wolf und M. Albertz, 1941, 145 (Hervor­hebung M.L.F.)

[4] S. dazu den hervorragenden Ausstellungskatalog: Tausend Jahre Taufen in Mitteldeutsch­land. Eine Ausstellung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und des Kir­chenkreises Magdeburg, hg. von B. Seyderhelm, 2006.

[5] Für Interessierte: www.taufausstellung.de sowie: Kirchliche Stiftung Kunst- und Kulturgut. KD-Bank, BLZ: 350 601 90, Konto-Nr. 1570 290 017, Stichwort: Taufengel.

[6] Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden. Bd. III: Die Amtshandlungen. Teil 1: Die Taufe, hg. von der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Neu bearbeitete Ausgabe 1988, 2., aktualisierte Aufl. 1999.

[7] Taufbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union. Bd. 2. Im Auftrag des Rates hg. von der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union, 2000.

[8] Reformierte Liturgie. Gebete und Ordnungen für die unter dem Wort versammelte Ge­meinde im Auftrag des Moderamens des Reformierten Bundes erarbeitet und hg. von P. Bukowski u.a., 1999, 309-314.317.320.325.328.334. Wenn es in der Einleitung zu den Tauf­liturgien heißt, dass "diese Taufformel [...] nicht verändert werden" (aaO 304) darf, bezieht sich dies nach der intentio auctorum auf ihre dreigliedrige trinitarische Gestalt oder auch auf die Präposition?

[9] Das "Kirchenbuch. Gebete und Ordnungen für die unter dem Wort versammelte Gemeinde" im Auftrag des Moderamens des Reformierten Bundes neu bearb. u. hg. von K. Halaski u.a., 4. Aufl., (unveränd. Nachdr. d. 3., völlig neu bearb. Aufl. 1983), 1990, weist durchgängig ein Taufen auf den Namen des dreieinigen Gottes auf (aaO 137f.140f.143-145.147.149, während die zweite Auflage in der Ersten und Vierten Form der Kindertaufe ein Nebeneinander von Taufen im und auf den Namen kennt (Kirchenbuch. Gebete und Ordnungen für die unter dem Wort versammelte Gemeinde, hg. vom Moderamen des Reformierten Bundes, Neukirchen Kreis Moers 21956, 87-91), in der Zweiten Form der Kindertaufe ein Nebeneinander von Taufen in den und im Namen (aaO 92-94), in der Dritten Form ein ausschließliches Taufen in den Namen (aaO 95-98) und beim Formular für die Erwachsenentaufe ein Taufen im Namen Gottes (aaO 103-105; vgl. aber den Satz aus der Taufvermahnung: "So sind wir ja mit Ihm begraben durch die Taufe in den Tod ...", aaO 103). In seiner ersten Auflage bietet das Kir­chenbuch mit der Materialsammlung aus der reformierten Tradition alle drei Formulierungen (Kirchenbuch 1941, aaO 144-170).

[10] DUDEN. Stilwörterbuch der deutschen Sprache. Die Verwendung der Wörter im Satz, 7., völlig neu bearb. u. erw. Aufl., hg. von G. Drosdowski, 1988, 688.

[11] Vgl. K.-H. Bieritz, Das Kind muß einen Namen haben (Jesaja 43,1), in: Taufe. Predigten – Gottesdienstentwürfe – Praxisberichte (Gottesdienstpraxis. Serie B), hg. von H. Nitschke, 1984, 47-50.

[12] K.H. Bieritz, Das Kind muß einen Namen haben, aaO 47.49.

[13] K. Barth, "Unterricht in der christlichen Religion". Dritter Band: Die Lehre von der Versöhnung/Die Lehre von der Erlösung 1925/1926 (GA 38), hg. von H. Stoevesandt, 2003, 231f.233f. Mit den Worten des zweiten Römerbriefs: "Getauftwerden heißt Einge­tauchtwerden, Verschwinden im fremden Element [...]. Der dieses Wasser verläßt, ist nicht der, der es betreten hat. Einer ist gestorben, ein andrer ist geboren. Mit dem einen, der gestorben ist, ist der Getaufte nicht mehr identisch. [...] Wer auf den Namen des Christus getauft ist, der ist einbezogen in dieses Ereignis, verschwunden und verloren in diesen Tod" (K. Barth, Der Römerbrief, 12., unveränd. Abdr. d. neuen Bearbeitung von 1922, 1978, 172f).

[14] "Dem Namen hängt an, woraus, wofür und woraufhin einer lebt, was sein Leben ausmacht und ausdrückt. So wird er zum Kennmal der Person, zur Abbreviatur der Wege und Umwege, der Aufbrüche, Entdeckungen und Konflikte, die sie [...] geprägt haben". Von "einem Namen muß man darum erzählen, um seinen Träger kennenzulernen." Und: "Einen Namen trägt niemand für sich allein. Wir tragen ihn für die andern und um der andern willen, denen wir uns bekannt machen, und von denen wir [...] anerkannt sein wollen. [...] Der Name [...] will ausgesprochen, will angerufen werden" (Ch. Link, Die Spur des Namens. Zur Funktion und Bedeutung des biblischen Gottesnamens, in: ders., Die Spur des Namens. Wege zur Erkennt­nis Gottes und zur Erfahrung der Schöpfung. Theologische Studien, 1997, 37-66, 44.46). Vgl. auch K. Barths eindrückliche Beschreibung der Funktion des (Gottes-)Namens in seiner späten Tauflehre (Die Kirchliche Dogmatik IV/4, 1967, 101f).

[15] Vgl. auch den Hinweis des Lima-Dokuments: "In einigen Teilen der Welt hat die Namen­gebung in der Taufliturgie zu einer Verwechslung zwischen Taufe und Gebräuchen in Verbin­dung mit der Namengebung geführt. Diese Verwechslung erweist sich in überwiegend nicht­christlichen Kulturen als besonders schwerwiegend, wenn von den Getauften verlangt wird, christliche Namen anzunehmen, die nicht in ihrer kulturellen Tradition verwurzelt sind" (Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen, Taufe, Eucharistie und Amt, in: Dokumente wachsender Übereinstimmung. Sämtliche Berich­te und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene. Bd. 1: 1931-1982, hg. und eingel. von H. Meyer u.a., 2. neubearb. Aufl. 1991, 545-585).

16] "Der Bilder sind viele, aber die Wirklichkeit ist nur eine" (Lima-Dokument, aaO 550).

[17] Diese dritte, für uns eher ungewohnte Inkorporationsfigur unterstreicht, dass es mit der Erinnerung an die alte Taufformel zugleich um ein vertieftes Verständnis der namenstheo­logischen und topologisch-sphärologischen Taufaspekte geht. En passant werden meine Ein­sichten in die namenstheologisch und sphärologisch fokussierte Bedeutsamkeit des Taufens in den Namen Gottes wiederholt transparent auf das reformierte Verständnis der Sakramente als Siegel in der doppelten Funktion von Besiegelung und Versiegelung.

[18] Ich verweise dafür vor allem auf die in vieler Hinsicht bedenkenswerte und anregende Studie der Evangelischen Frauenarbeit in Württemberg (Hg.), Ins Leben eintauchen! Femi­nistisch-theologische Beiträge zur Taufe (edition akademie 8), 2004. Das schöpfungs­theologische Verständnis des Taufwassers gipfelt in einem Beitrag von T. Berger, in dem sie das Verhältnis von Taufwasser und Fruchtwasser bedenkt (Von Fruchtwasser und Taufwas­ser: Eintauchen in das eine Leben?, in: Ins Leben eintauchen!, aaO 71-84).

[19] Vgl. dazu auch R. Stuhlmann, Aufbrüche aus einer tief unordentlichen Taufpraxis. Ansätze der Erneuerung in der Volkskirche, in: Ökumenische Rundschau 53 (2004), 348-360, bes. 354-356.

[20] C. Janssen, Anders ist die Schönheit der Körper. Paulus und die Auferstehung in 1 Kor 15, 2005, 133.

Vgl. dazu auch die anschaulichen Ausführungen von Zwingli zu Röm 6,3: "Paulus [...] spricht ouch: 'in Christum getoufft sin' und nit 'in Christo'. Das hat den unterscheid vor einandren, als im tütsch 'im' und 'in', [...] 'in den namen des vatters' und nit 'im namen'. 'In' hat die ard, daß man's brucht, da man von ussen hinynkumpt; als wenn man spricht: 'Er gadt in das huß', isz gwüß, das er usserthalb was, und ist hinyn ggangen. 'Im' hat die ard, das man's brucht, da man schon dinnen ist; also so man spricht: 'Er gadt im hus', so verstaht man wol, das er vor und ee er anhub ze gon, er imm hus was" (H. Zwingli, Von dem touff, vom widertouff unnd vom kindertouff, in: Huldrych Zwinglis Sämtliche Werke Bd. IV [CR XCI], Unter Mitwirkung des Zwingli-Vereins in Zürich hg. von E. Egli u.a., 1927, 188-337, 243).

[21] "In der Benetzung des Kopfes mit Wasser wird uns das Abbild des Todes dargestellt, das neue Leben aber darin, daß wir nicht im Wasser untergetaucht bleiben, sondern nur für einen Augenblick wie im Grab untergehen, um sogleich daraus wieder aufzutauchen" (Katechismus der Genfer Kirche [1545], Frageantwort 326 (in: Calvin-Studienausgabe. Bd. 2: Gestalt du Ordnung der Kirche, hg. von E. Busch u.a., 1997, 1-135, 119).

[22] Vgl. Röm 13,14.

[23] G. Ebeling, Die Wahrheit des Evangeliums. Eine Lesehilfe zum Galaterbrief, 1981, 290.

[24] J.W. v. Goethe, Dichtung und Wahrheit II, 10 (hg. von K. Detlef-Müller, in: Goethe Werke. Jubiläumsausgabe, Bd. 5, 1998, 367). Zur theologischen Rezeption der Äußerungen Goethes über Namen vgl. J. Ebach, "Name ist Schall und Rauch". Beobachtungen und Erwägungen zum Namen Gottes, in: Gretchenfrage. Von Gott reden – aber wie? II (Jabboq 3), hg. von dems. u.a., 2002, 17-82, bes. 17-43.

[25] Vgl. Apk 3,4f.; 6,11; 7,9.

[26] Vgl. dazu auch Ch. Grethlein, Taufpraxis, aaO 377f.

[27] Vgl. Reformierte Liturgie, aaO 311: "Die Taufe ist das Zeichen des Bundes Gottes. Dieses Zeichen kann nicht mehr widerrufen werden. Unser ganzes Leben hindurch und auch, wenn wir im Glauben unsicher werden, soll uns dieses Zeichen wieder gewiss machen, dass wir zu Jesus Christus gehören."

[28] Vgl. dazu den dritten Teil des Heidelberger Katechismus, der unter der Überschrift "Von der Dankbarkeit" eine Auslegung der zehn Gebote (Frageantwort 92-115) und des Vaterunser (Frageantwort 116-129) enthält.

[29] Reformierte Liturgie, aaO 320.

[30] Trotz der sonntäglich gottesdienstlichen Bitte "Dein Name werde geheiligt!" "ist die Tra­dition des Gottesnamens verloren gegangen und die wenigsten wissen, was sie da beten." (F. Crüsemann/H. Köhler, Totensonntag: Das Buch Jesaja 25,8-9a, in: Die Feste im Kir­chenjahr. Gottesdienste und Erläuterungen zum Feiern in gerechter Sprache, hg. von E. Do­may/H. Köhler, 2004, 160-173, 161).

[31] Vgl. dazu M.L. Frettlöh, "... daß er im Brauch und Nutz soll stehen". Zu Motiven einer Theologie des Namens in Martin Luthers Auslegungen der ersten Vaterunserbitte und des zweiten Gebots, in: Gott wahr nehmen. Festschrift für Ch. Link zum 65. Geburtstag, hg. von ders. und H. Lichtenberger, 2003, 65-96, bes. 87-90.

[32] Vgl. zum Folgenden ausführlich: M.L. Frettlöh, Der trinitarische Gott als Raum der Welt. Zur Bedeutung des rabbinischen Gottesnamens maqom für eine topologische Lehre von der immanenten Trinität, in: R. Weth (Hg.), Der lebendige Gott. Auf den Spuren neueren tri­nitarischen Denkens, 2005, 197-232.

[33] Hg. von U. Bail u.a., 2006.

[34] Vgl. dazu die Einleitung der Herausgebenden, aaO 9-26; sowie den Glossar-Artikel von J. Ebach, Gott, Gottesnamen, Gottesbezeichnungen, aaO 2356-2360.

[35] P. Sloterdijk, Sphären I: Blasen (Mikrosphärologie), 52000, 611.